Vorbilder der Hoffnung

Was Dietrich Bonhoeffer über die 1000plus-Petition zu sagen hätte

Dietrich Bonhoeffer im August 1939 Foto:

 Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1987-074-16 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en via Wikimedia Commons

Der evangelische Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer hätte uns heute viel zu sagen, weil wir davor stehen, das Böse gut und das Gute böse zu nennen. Bonhoeffer schrieb dazu: "Die große Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinander gewirbelt. Daß das Böse in der Gestalt des Lichts, der Wohltat, des geschichtlich Notwendigen, des sozial Gerechten erscheint, ist für den aus unserer tradierten ethischen Begriffswelt Kommenden schlechthin verwirrend".1

Wie in Shakespeares MacBeth wird die Wahrheit ins Gegenteil verkehrt: "Fair is Foul, Foul is Fair". Abtreibung ist Health Care, Abtreibung ist Selbstbestimmung, Abtreibung ist Menschenrecht. 

Warum sehen das so viele nicht? Wie kann es sein, dass dieser große Skandal, der jetzt in Abtreibung bis zur Geburt mündet, weitgehend beschwiegen wird? Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, was Bonhoeffer in seinem Werk "Nachfolge" "billige Gnade" nannte: "Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders ... Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den lebendigen, menschgewordenen Jesus Christus."2 Heute kann man vielleicht ergänzen: Billige Gnade ist Bequemlichkeit und Wegschauen. 

Was kann man tun? Bonhoeffer zählte zunächst mehrere Wege auf, die scheitern würden: Scheitern würden Versuche, die davon ausgingen, "mit etwas Vernunft"3 alles lösen zu können. Das würde nur zur Enttäuschung führen und und zur Resignation. Noch erschütternder wäre aber ein "ethischer Fanatismus", der mit der "Reinheit des Prinzips" der Macht des Bösen entgegentrete. Er würde wie der Stier nur auf das rote Tuch statt auf dessen Träger stoßen, sich im Unwesentlichen verfangen und dem Klügeren in die Falle gehen. Zu verurteilen sei auch die Flucht vor der öffentlichen Auseinandersetzung in die "private Tugendhaftigkeit". Nur auf Kosten des Selbstbetrugs könne man sich so "von der Befleckung durch verantwortliches Handeln" rein halten. Man werde entweder an dieser Unruhe zugrunde gehen oder zum "heuchlerischsten aller Pharisäer". 

Für Bonhoeffer besteht die Lösung darin, Verantwortung zu übernehmen. "Freie Verantwortung" ist die Antwort Bonhoeffers auf Resignation und Rückzug, es geht ihm um das "freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat", das der Bindung an Gott entspringt. Wir sollen nicht auf den heroischen Untergang schauen, sondern den Blick auf die Zukunft wagen. Und genau diesem Geist ist auch die 1000plus-Petition entsprungen: Wir wollen Verantwortung übernehmen, statt uns zurückzuziehen oder nur zu klagen. 

Bonhoeffer betont sehr klar: Die junge Generation habe einen Instinkt dafür, ob wir nur aus Prinzip oder aus lebendiger Verantwortung handelten, weil es um ihre eigene Zukunft gehe. Dass Gott "auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will", wenn er Menschen hat, "die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen" war dabei einer seiner Glaubenssätze. Bonhoeffers Hoffnung folgte aus seinem Gottvertrauen. Gott, so Bonhoeffer, gibt uns die Kraft, die wir in schwierigen Situationen brauchen, wenn wir uns allein auf ihn verlassen. Das überwindet alle Angst vor der Zukunft. In diesem Glauben schrieb Bonhoeffer sein berühmtes Gedicht: "Von guten Mächten wunderbar geborgen / erwarten wir getrost, was kommen mag. / Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, / und ganz gewiß an jedem neuen Tag."

Auch wir können in diesem Glauben Verantwortung übernehmen, mutig den Blick auf die Zukunft wagen und die Petition unterschreiben:

 

Petition: HILFE statt Abtreibung

Fußnoten

Bonhoeffer, Dietrich, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, Güterloh, 20. Auflage 2010, S. 10. 

2 Bonhoeffer, Dietrich, Nachfolge, Gütersloh 2008, hier zitiert nach: https://www.evangelischer-glaube.de/bonhoeffer-nachfolge/bonhoeffer-der…  

Alle Zitate ab hier aus: Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung (siehe Fußnote 1), S. 10-19, 218.

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