Eltern können ab Februar den Tod ihres Kindes bestimmen

Niederlande – Eine Kultur des Todes?

In Sachen Sterbehilfe gehen die Niederlande wieder einen Schritt weiter: Ab Februar können schwerkranke Kinder unter bestimmten Voraussetzungen legal getötet werden.

29.01.2024

 IMAGO / Pond5 Images krankes Mädchen Kind
Eltern können in den Niederlanden über den Tod ihres schwerkranken Kindes entscheiden. Copyright by IMAGO / Pond5 Images

In Sachen Sterbehilfe gehen die Niederlande nun wieder einen Schritt weiter: Ab Februar können schwerkranke Kinder unter bestimmten Voraussetzungen legal getötet werden. Das bisherige Sterbegesetz galt ab zwölf Jahren, wobei nach wie vor bis zum Alter von 16 Jahren die Zustimmung der Eltern erforderlich ist. Seit 2005 ist bereits die „Abtreibung nach der Geburt“ – wie es auch genannt wird – erlaubt. Denn unter bestimmten Bedingungen dürfen missgebildete Neugeborene straffrei getötet werden.

Gegenwind gibt es in der niederländischen Politik laut dem Weltspiegel wenig. Selbst konservative und christliche Parteien stimmten für die neue gesetzliche Regelung.

Das Innenministerium erklärt, dass die neue Regelung lediglich etwa fünf bis zehn Kindern pro Jahr beträfe, „bei denen die Möglichkeiten der Palliativmedizin nicht ausreichen, um ihr Leiden zu lindern“.

Warnung vor einer schleichenden Normalisierung

Bislang muss die leidende Person den Sterbewunsch ausdrücklich äußern. Bei der neuen Regelung dürfen die Eltern über das Leben ihres Kindes entscheiden.

Der niederländische Medizinethiker Theo Boer kritisiert das neue Gesetz und äußerte sich gegenüber dem Weltspiegel:

„Wir hatten in Holland seit Ende der 80er Jahre steinhart gesagt, um jegliche Missverständnisse vorzubeugen: aktive Sterbehilfe nur auf die ausdrückliche Bitte des Patienten. (…) Wenn man den Weg eröffnet zur Tötung von Patienten, die nicht selber darum bitten können, sondern es sind andere, dann habe ich Angst, dass wir schließlich doch in die Richtung von 1941/42 kommen. Nämlich, wo andere Leute entscheiden, ob ein Leben lebenswürdig ist oder nicht.“

Boer befürchtet ebenfalls, dass dieser Ansatz später auch auf Erwachsene ausgeweitet werden könnte, die ebenfalls keinen Sterbewunsch äußern können, z.B. Demenz-Patienten.

Grenzen verschieben sich

In den Niederlanden haben sich Grenzen sichtbar beständig verschoben. Sowohl gesetzlich als auch zahlenmäßig. 2022 kamen 8.720 Menschen durch aktive Sterbehilfe von Ärzten zu Tode, das sind 13,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 5,1 Prozent aller Sterbefälle geschahen 2022 aufgrund von Sterbehilfe.

Die Diagnosen weiteten sich ebenfalls aus: Dem Gesetz nach ist aktive Sterbehilfe nur bei schwerer, unheilbarer und unerträglicher Krankheit straffrei. Inzwischen reicht den Ärzten jedoch „Lebensmüdigkeit“ oder Altersgebrechen als Grund. Gemäß eines Urteils des Obersten Gerichtshofs von 2020 ist die Tötung von schwer dementen Patienten auch dann erlaubt, wenn sie zuvor eine entsprechende Patientenverfügung verfasst haben, aber sich zum Zeitpunkt der geplanten Tötung gegen die Verabreichung der tödlichen Spritze wehren.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz bestätigt Warnungen vor einer schleichenden Gewöhnung an aktive Sterbehilfe. Vorstand Eugen Brysch sagt dazu: „Die Niederlande zeigen mit diesem Schritt, dass sich eine Gesellschaft mit der organisierten Tötung von Menschen arrangieren kann.“

Andere Länder folgen dem Beispiel der Niederlanden. Nachdem diese 2002 als erstes Land weltweit aktive Sterbehilfe legalisierten, folgten in der darauffolgenden Zeit Belgien und Luxemburg. Selbst das katholisch geprägte Land Spanien eröffnete 2021 die Möglichkeiten: sowohl für aktive Sterbehilfe als auch für Beihilfe zum Suizid – zuletzt auch Portugal im Mai vergangenen Jahres.

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