Staatsrechtler Augsberg: Mehr Unterstützung statt „Symbolpolitik“ für Schwangere
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Mütter verbessern
Prof. Dr. Steffen Augsberg, Staatsrechtler und ehemaliges Mitglied des Deutschen Ethikrates, hat in einem Interview mit dem Magazin GRANDIOS deutliche Kritik am geänderten Schwangerschaftskonfliktgesetz geübt. Die Gesetzesänderung, die Demonstrationen und das stille Gebet im Umkreis von 100 Metern vor Abtreibungskliniken verbietet, hält er für problematisch.
„Ich finde an diesem Gesetz manches problematisch. Das beginnt damit, dass es sich bei ihm um reine Symbolpolitik handelt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir Belästigungen von Personen, die sich auf dem Weg zu einem Schwangerschaftsabbruch oder zu einer Beratung befinden, nicht hinnehmen können,“ so Augsberg. Doch er betonte weiter, dass bestehende Gesetze bereits ausreichend Schutz bieten: „All das ist in unserer Rechtsordnung bereits abgedeckt. Sie hatten auch bisher nicht das Recht, jemanden zu beschimpfen, der eine Beratung in Anspruch nimmt.“
Augsberg warnte davor, dass das Gesetz weniger dem Schutz von Frauen diene, sondern vielmehr eine politische Botschaft senden solle, die unliebsame Meinungen unterdrückt.
„Die Gesetzesänderung will mehr. Sie will ein Signal setzen, dass bestimmte Meinungsäußerungen in bestimmten Kontexten nicht mehr zulässig sein sollen. Und das scheint mir als Verfassungsrechtler problematisch. Meinungsfreiheit ist auch die Freiheit, Dinge zu vertreten, die die Mehrheit ablehnt.“
Besonders besorgt zeigte sich Augsberg über den Vorschlag, den § 218 des Strafgesetzbuches zu streichen und Abtreibungen vollständig zu entkriminalisieren. Er hob hervor, dass der bestehende Kompromiss, der Abtreibungen als „rechtswidrig, aber straffrei“ einstuft, in Deutschland für ein gewisses Maß an Rechtsfrieden gesorgt habe. „Wir stellen fest, dass auf Basis des 2. Abtreibungsurteils des Bundesverfassungsgerichts eine Regelung gefunden wurde, die zwar alle Zeichen eines faulen Kompromisses trägt, aber sowohl dem Lebensschutz wie dem Selbstbestimmungsrecht Rechnung trägt.“
Augsberg plädierte dafür, die Debatte um Abtreibung nicht auf das Strafrecht zu beschränken, sondern die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Schwangere und Mütter zu verbessern: „Was mich an der Debatte am meisten stört, ist, dass wir die offensichtliche Verpflichtung, die wir als Gesellschaft sowohl dem ungeborenen Leben gegenüber als auch den betroffenen Müttern haben, nur dadurch zu erfüllen suchen, dass wir uns überlegen, wie wir das im Strafgesetzbuch regeln. Wir müssten stärker darüber nachdenken, wie wir als Gesellschaft lebensbejahend agieren können und betroffenen Frauen und Familien Unterstützung zuteilwerden lassen.“
Seiner Ansicht nach hängt die Entscheidung für oder gegen ein Kind oft von den sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen ab: „Selbstbestimmung ist immer relational, also gebunden in Beziehung und Bedingungen. Und zu diesen gehören die Lebenssituation und die finanzielle Situation von Müttern. Da müsste man ansetzen, um Frauen die Entscheidung für das Kind zu ermöglichen.“
Insgesamt spricht sich Augsberg dafür aus, mehr gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, statt die Debatte rein juristisch zu führen. Der Schutz des ungeborenen Lebens und die Unterstützung der betroffenen Frauen müssen Hand in Hand gehen.
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