Französisches Parlament befürwortet aktive Sterbehilfe

Gesetzentwurf zu aktiver Sterbehilfe wurde in Frankreich angenommen

28.05.2025

In Frankreich soll aktive Sterbehilfe legal werden.
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Am gestrigen Dienstag stimmten die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung mehrheitlich für einen Gesetzesentwurf, der aktive Sterbehilfe unter „strengen Auflagen“ ermöglichen soll. 305 Abgeordnete, vorwiegend vom linken Lager - von der Regierungskoalition „Ensemble“ und der Linksallianz „NUPES“ - stimmten für das Recht auf aktive Sterbehilfe, 199 Abgeordnete - Mitglieder der konservativen Les Républicains (LR) und des Rassemblement National (RN) - sprachen sich dagegen aus.

Der Gesetzesentwurf, der nun an den Senat geht, hat es in sich: Menschen, die noch bei vollem Bewusstsein sind, soll aktiv beim Sterben geholfen werden, d.h., wenn der Patient das von einem Arzt verordnete Medikament, meist eine tödliche Injektion hochdosierten Barbiturats, sich nicht mehr selbst verabreichen kann, soll diese Aufgabe von einem Arzt oder Pfleger übernommen werden. Mehrere Angehörige müssen der aktiven Sterbehilfe zustimmen, damit diese genehmigt wird.

Bereits jetzt gibt es Möglichkeiten zur Sterbehilfe

Laut aktueller Rechtslage ist in Frankreich die passive Sterbehilfe erlaubt, d.h. lebenserhaltende Maßnahmen können beendet werden, auch hat der Patient ein Recht auf eine tiefe Sedierung bis zum Tod. Beide Maßnahmen sind nur möglich, wenn der Patient an einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Krankheit leidet.

In Deutschland ist die Beihilfe zur Selbsttötung legal, sofern der schwer und unheilbar kranke Patient das tödliche Mittel selbst einnimmt, auch ist es Suizidvereinen oder Angehörigen gestattet, beim Suizid zu assistieren. 

Obwohl es in Frankreich bereits eine recht liberale Regelung zur Sterbehilfe gibt, soll jetzt eine weitere Grenze überschritten werden. Im Extremfall soll der Patient von einer medizinischen Fachkraft „suzidiert“ werden können – was de facto ein aktives Töten ist. 

Linke Kräfte gehen vollends d‘daccord

Dennoch gehen die linken Kräfte im Parlament vollends d‘accord mit dem Gesetzesentwurf: „Der Text ist ausbalanciert und enthält sehr strenge Kriterien“, behauptet Olivier Falorni, Abgeordneter der Regierungspartei „Parti radical de gauche“ (zu deutsch: radikale Partei der Linken), der den Gesetzesentwurf maßgeblich erarbeitet hat. Weiter meinte er, die etwaige Restlebensdauer dürfe bei der Entscheidung, ob aktive Sterbehilfe genehmigt werde oder nicht, keinen Einfluss haben, denn schließlich könne man nie genau wissen, wie lange ein schwer kranker Mensch noch zu leben habe. Ausschlaggebender seien die restliche Lebensqualität sowie der persönliche Leidensdruck. Außerdem müssten die Patienten ihren Sterbewunsch bei klarem Verstand äußern, volljährig sein und im Besitz der französischen Staatsbürgerschaft oder einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis sein. 

Staatspräsident Emmanuel Macron, der vor rund zwei Jahren die in der Verfassung verankerte Freiheit zur Abtreibung feierte, nahm zwar selbst nicht an der Abstimmung teil, da er nicht Mitglied des Parlaments ist, begrüßte den Gesetzesentwurf jedoch ebenfalls ausdrücklich.

Kritik von Konservativen, Abweichlern und Kirche

Kritik kam von jenen Abgeordneten, die gegen den Gesetzesentwurf stimmten. Sie sprachen von einer „Überschreitung eines Tabus“. Kritik gab es zudem von einigen Abweichlern der linken Parteien, darunter Charles Sitzenstuhl von der Präsidentenpartei Renaissance: „Beim Recht auf Sterbehilfe denken viele an etwas Sanftes, Einfaches, vielleicht sogar Anziehendes.“ Tatsächlich jedoch handele es sich hierbei um „staatlich geförderten Suizid, der die Franzosen dabei unterstützt, ihre Leben auszulöschen“. Er werde „niemals ein solches Gesellschaftsbild verteidigen“. 

Anstoß an dem Gesetzesentwurf nahm außerdem die Katholischen Kirche, die vor der Abstimmung sämtliche Katholiken dazu aufriefen, sich gegen das Gesetz starkzumachen. Es gelte, „non“ zu der Legalisierung aktiver Sterbehilfe zu sagen. Der Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort von Reims, ergänzte: „Töten kann nicht die Wahl der Brüderlichkeit oder der Würde sein. Es ist die Wahl von Verlassenheit und Verweigerung der Hilfe bis zum Ende.“

Wie geht es weiter?

Immerhin gibt es für Gegner der aktiven Sterbehilfe zwei Lichtblicke. Kommt es zur Verabschiedung dieses Gesetzes, soll dieses eine Gewissensklausel enthalten, laut der kein Arzt gegen seinen Willen Sterbehilfe leisten muss. 

Zudem kann das Gesetz nur in Kraft treten, wenn eine Mehrheit des Senats den Entwurf absegnet, doch dort gibt es wesentlich mehr konservative Politiker als im Parlament. Der Senat wird sich frühestens im September mit der Sterbehilfe-Reform befassen.

Macrons Plan B

Sollte sich der Senat mehrheitlich gegen die aktive Sterbehilfe entscheiden, hat Emmanuel Macron, der das Recht auf „Aide à mourir (franz. für Sterbehilfe) unbedingt durchdrücken möchte, noch einen Plan B: Er möchte eine Volksabstimmung durchführen lassen. Diese hat gute Erfolgsaussichten, denn Umfragen zufolge sprechen sich rund 90 Prozent der Franzosen für die aktive Sterbehilfe aus.

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