Der neue Gott: Wohlstand und Sex
Polnische Heiratsvermittlerin plaudert

WARSCHAU. „In Polen haben wir statt Katholizismus in allen Altersgruppen Hedonismus“, besonders bei den Frauen ab einem Alter von 50 Jahren: „sehr vielen geht es vor allem um Sex“. Zu diesem Schluss kommt die Chefin des ältesten Heiratsvermittlungsbüros der polnischen Hauptstadt Warschau. Das Land habe sich nicht nur materiell, sondern vor allem auch ideell stark verändert. Im Gegensatz zur Vor-Wende-Generation seien die polnischen Frauen heute nicht mehr bereit, die Doppelbelastung von Familie und Beruf auszuhalten.
Die Ehevermittlerin Agata Sybilska, die die Neue Zürcher Zeitung porträtierte, macht eine Reihe gesellschaftlicher Tendenzen aus: Immer mehr Polinnen wollten keine Familie mehr gründen, die Zahl der Eheschließungen sei stark rückläufig und die Scheidungsrate seit dem Umbruch 1989/90 stark gestiegen.
Gab es 1990 noch gut 255.000 Eheschließungen zwischen Oder und Bug, waren es 2022 nur noch rund 156.000. Lag die Scheidungsrate 1990 noch bei rund 42.000, stieg sie auf rund 60.000 im Jahr 2022. Als Grund dafür sieht die Ehevermittlerin die inzwischen sehr hohen Erwartungen an eine Partnerschaft, verbunden mit mehr materiellem Wohlstand. Fast die Hälfte der heute neu verheirateten Frauen habe studiert, Ehepaare daher oft Doppelverdiener. „Beziehungen müssen heute für sehr viele perfekt sein, sonst werden sie eben wieder aufgelöst“, so Sybilska.
Mit dieser Haltung einher geht ein dramatischer Einbruch der Geburten, deren Zahl sich seit der politischen Wende in Mittelosteuropa fast halbiert hat (vgl. auch einen entsprechenden Bericht des Onlinemagazins Corrigenda). Wurden 1990 noch gut 550.000 Kinder in Polen geboren, waren es 2022 nur noch gut 300.000. Das ergibt eine Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau im gebärfähigen Alter – eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa.
Quelle: nzz.ch
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